Faserstoffe in der Ernährung zur Förderung eines gesunden Darmmikrobioms unter besonderer Berücksichtigung der Chronischen Niereninsuffizienz

Das Darmmikrobiom rückt schon seit einiger Zeit immer stärker in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses – mittlerweile weiß man, dass ein intaktes Darmmikrobiom Krankheitserreger abwehrt, Immunzellen trainiert, an vielen Stoffwechselabläufen beteiligt ist und so wesentlich zur Gesunderhaltung des Individuums beiträgt. Umgekehrt kann z.B. durch Pathogene, veränderte Ernährungsgewohnheiten, Medikamente oder Toxine das Darmmikrobiom in seiner Zusammensetzung so verändert werden, dass das Individuum anfällig wird für Erkrankungen. So ist der Zusammenhang einer derartigen Dysbiose mit Übergewicht, Krebs, Diabetes, entzündlichen Darmerkrankungen, Asthma sowie Herz- Kreislauferkrankungen inzwischen gut erforscht. Im Gegensatz dazu sind Erkenntnisse zum Einfluss des Darmmikrobioms auf die Chronische Niereninsuffi zienz (CNI) noch relativ neu.

Da die CNI eine der häufigsten Erkrankungen bei Hund und Katze ist – etwa 30% der älteren Tiere sind betroffen – begegnen uns diese Fälle auch immer wieder in der Tierheilpraxis. Wenn es dann darum geht, den Krankheitsverlauf durch eine Umstellung der Ernährung positiv zu beeinflussen, richtet sich das Augenmerk gemeinhin auf Aspekte wie Proteinqualität bzw. -reduktion, Phosphorreduktion etc. Da es aber, wie inzwischen nachgewiesen wurde, eine enge Wechselwirkung zwischen dem Darmmikrobiom und dem Fortschreiten der CNI gibt, sollte auch die Gesunderhaltung des Darmmikrobioms bzw. die Korrektur einer Dysbiose verstärkt in den Fokus genommen werden. Tierisch geheilt berichtete bereits über die Einsatzmöglichkeiten der Laser-Therapie (tierisch geheilt 05/2020) in diesem Bereich. In diesem Beitrag soll nun die besondere Rolle von (löslichen) Faserstoff en in der Ernährung beleuchtet werden. Nach einer Einführung in die Wechselwirkungen zwischen Darmmikrobiom und CNI werden die verschiedenen löslichen Faserstoff e, die als Futterzusätze zur Förderung des Darmmikrobioms infrage kommen, vorgestellt und deren praktischer Einsatz anschließend erläutert.

Das Darmmikrobiom

Als Darmmikrobiom wird die Gesamtheit der Bakterien, Archaeen („Urbakterien“; einzellige Lebewesen ohne Zellkern), Viren und Mikroben bezeichnet, die den Darm eines Menschen oder Tieres besiedeln. Hier werden Symbionten („gute“ Mikroorganismen), Kommensalen („harmlose“ Mikroorgamismen – der Wirt profi tiert von diesen nicht, wird aber auch nicht geschädigt) sowie Pathobionten („schädliche“ Mikroorganismen) unterschieden. Dabei ist das Darmmikrobiom in Abhängigkeit von Alter, Aufzucht, Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, früherem Kontakt mit Mikroben, Medikamenten (v.a. Antibiotika), Toxinen etc. in seiner Zusammensetzung individuell verschieden und jeweils einzigartig.
Das Darmmikrobiom von Hund und Katze wird von fünf Stämmen dominiert: Firmicutes, Bacteroides, Proteobakterien, Actinobakterien und Fusobakterien. In Zwölffi ngerdarm und Dünndarm ist Lactobacillus besonders häufi g anzutreff en. Das Colon (Dickdarm) als Ort der dichtesten bakteriellen Kolonisation weist ein vielfältiges Nebeneinander von Symbionten (z.B. Laktobazillen, Bifi dobakterien), Kommensalen (z.B. Bacteroides) aber auch Pathobionten (z.B. Escherichia coli) auf.
In einem gesunden Darmmikrobiom dominieren die Symbionten; die Kommensalen tragen durch ihre schiere Masse dazu bei, dass die Pathobionten sich nicht ungehindert vermehren und dem Wirt damit schaden können. Kommt es, z.B. durch eine Veränderung der Nahrungszusammensetzung, Medikamente, Toxine oder Krankheitserreger zu einer Veränderung der Zusammensetzung des Darmmikrobioms, spricht man von einer Dysbiose: Die Vielfalt der einzelnen Mikrobioten nimmt ab, die Anzahl der Symbioten und Kommensalen reduziert sich und die Pathobionten können sich unverhältnismäßig stark vermehren. In der Folge wird der Wirt anfälliger für verschiedene Erkrankungen.

Darmmikrobiom und CNI

Foto: © Africa Studio – AdobeStock

Auch im Fall der CNI gibt es eine ausgeprägte Wechselwirkung zwischen Dysbiosen und dem Auftreten bzw. Fortschreiten der CNI. Im Mittelpunkt steht hier die Rolle urämischer Toxine (Urämie = das gehäufte Auftreten harnpfl ichtiger Substanzen im Blut infolge einer CNI).
Urämische Toxine entstehen entweder endogen aus dem natürlichen Stoff – wechsel des Tieres, sie werden mit der Nahrung aufgenommen (exogener Ursprung) oder aber sie sind Endprodukte des Stoff wechsels von Darmbakterien (mikrobieller Ursprung). Der letztgenannte Mechanismus kommt dann zum Tragen, wenn sich die Zusammensetzung des Darmmikrobioms zugunsten der Pathobionten verschiebt, also eine Dysbiose besteht. So metabolisieren z.B. Escherichia coli die mit der Nahrung aufgenommene Aminosäure Tryptophan zu Indol, welches in der Leber zu Indoxylsulfat umgewandelt wird. Indoxylsulfat ist ein urämisches Toxin, das üblicherweise über die Nieren ausgeschieden wird. Kommt es zu einer Anhäufung von Indoxylsulfat im Blut – z.B. aufgrund einer Dysbiose oder weil die Nieren bereits nicht mehr ausreichend arbeiten – so führt diese erhöhte Indoxylsulfatkonzentration wiederum zu einer (weiteren) Schädigung der Nieren bzw. zum Fortschreiten einer bereits bestehenden CNI. Es handelt sich hier also um einen sich immer weiter verstärkenden „Teufelskreis“.
Daneben wandeln anaerobe Darmbakterien wie z.B. Clostridium difficile die in der Nahrung enthaltenen Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin in p-Cresol um, welches in der Leber wiederum zu p-Cresylsulfat umgewandelt wird. Auch p-Cresylsulfat ist ein urämisches Toxin, das die Nieren schädigt bzw. eine CNI weiter verschlechtert.
Ein drittes urämisches Toxin, TMAO (Trimethylamin N-Oxid), entsteht, wenn Darmbakterien die Aminosäuren Betain, Carnitin, sowie Cholin und Lecithin vertstoffwechseln. Auch TMAO schädigt, wenn es sich in zu hohen Konzentrationen ansammelt, die Nieren und begünstigt ein Fortschreiten der CNI.
Es wird also deutlich, dass im Falle einer ausgeprägten und fortdauernden Dysbiose, bei der es vor allem zu einer Verminderung der Stämme Lactobacillus und Bifidobacterium kommt, durch den Stoffwechsel der entsprechenden Pathobionten vermehrt urämische Toxine anfallen, die zu einer Schädigung der Niere führen können bzw. bei Tieren, bei denen bereits eine CNI besteht, diese verschlechtern.
Schlimmer noch: Während somit das Darmmikrobiom bzw. seine „Verschiebung“ im Sinne einer Dysbiose die Gesundheit der Nieren schädigen kann, trägt in umgekehrter Richtung eine bereits bestehende CNI ihrerseits zu einer Schädigung des Darmmikrobioms bei.
Bei einer bestehenden CNI kommt es infolge der nachlassenden Filtrationsleistung der Nieren u.a. auch zu einer Ansammlung von Harnstoff im Blut. Harnstoff (Urea) ist das Endprodukt des Eiweißstoffwechsels: Bei der Verstoffwechselung von Aminosäuren im Darm entsteht zunächst giftiger Ammoniak (NH3); dieser diffundiert aus dem Darm ins Blut und wird in die Leber transportiert. Dort erfolgt die Umwandlung des giftigen NH3 in ungiftigen Harnstoff. Der Harnstoff wird wieder in das Blut abgeben und von den Nieren herausgefiltert. Während der Großteil des Harnstoffs über den Urin den Körper verlässt, diffundiert ein gewisser Teil jedoch aus dem Blut zurück in das Colon.
Bestimmte Darmbakterien sind nun aber in der Lage, diesen Harnstoff mit Hilfe des Enzyms Urease, das sie produzieren, erneut in den giftigen Ammoniak umzuwandeln. Zu diesen Bakterien zählen vor allem Clostridium spp., Enterococcus, Shigella und Escherichia coli. Hierbei handelt es sich um Pathobionten. Die Anwesenheit von Ammoniak führt wiederum zu einer Alkalisierung des Darmmilieus (der pHWert im Darm steigt an), welches den Pathobionten im Gegenzug günstige Wachstumsvoraussetzungen bietet.
Bei einer CNI ist die Ausscheidung von Harnstoff über die Nieren eingeschränkt, was dazu führt, das viel Harnstoff im Blut verbleibt, der dann wiederum (im Sinne des oben beschriebenen Kreislaufs) erneut in den Darm gelangt. Durch den auf diese Weise ebenfalls vermehrt anfallenden Ammoniak (und damit die Verschiebung des pH-Wertes im Darm) werden die Pathobionten in ihrer Vermehrung begünstigt. Eine bestehende CNI kann also durch diesen Mechanismus zu einer Verschiebung des Darmmikrobioms, zu eines Dysbiose, führen. Wie oben beschrieben, begünstigt diese Dybiose dann ihrerseits die Entstehung von urämischen Toxinen, die wiederum die bestehende CNI verschlimmern können. Mit immer stärker nachlassender Nierenfunktion verbleibt dann immer mehr Harnstoff im Blut, der zurück in den Darm gelangt; die Dysbiose verstärkt sich, was wiederum zu einem vermehrten Anfall an urämischen Toxinen und dadurch zu einer Verstärkung der CNI führt usw. Es wird also deutlich, dass eine enge Wechselwirkung zwischen CNI und Darmmikrobiom besteht, welche im Sinne eines „Teufelskreises“ zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der Gesamtsituation führt.
Doch es gibt noch weitere negative Folgen. So schädigt eine erhöhte Ammoniakkonzentration im Darm, bedingt durch die Überwucherung mit Pathobionten, auch die Darmschleimhaut an sich, sie wird „durchlässig“ („leaky gut“). Auf diese Weise kommt das Darmmikrobiom in Kontakt mit dem systemischen Immunsystem des Tieres, welches aktiviert wird und mit einer Abwehrreaktion reagiert. Die Dysbiose führt auf diese Weise zu einer systemischen Entzündung, welche nicht nur die Darmwand immer weiter schädigt und damit immer durchlässiger werden lässt, was in der Folge die Immunreaktion und damit die Entzündung verstärkt. Durch die systemische Entzündung kommt es auch zu einer weiteren Schädigung der Nieren. Foto: © Africa Studio – AdobeStock 28

Eine Schädigung der Nieren verstärkt ihrerseits, wie oben dargelegt, die Dysbiose, sodass es auch hier zu sich gegenseitig verstärkenden Effekten kommt.
Die folgende Grafik soll die beschriebenen Wechselwirkungen zwischen Darmmikrobiom und CNI noch einmal verdeutlichen:

Grafik 1: Modifiziert nach Ramezani et al, 2016. ©Nicole Schulte-Kulkmann

Auch wenn die Entstehung einer CNI letztlich immer multifaktoriell bedingt ist, lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Gesunderhaltung des Darmmikrobioms eine gute Vorsorgemaßnahme zum Schutz der Nieren darstellt bzw. dass umgekehrt eine positive Beeinflussung des Darmmikrobioms und die Korrektur einer Dysbiose den Verlauf einer bereits bestehenden CNI positiv beeinflussen kann. Eine zentrale Rolle spielen hier die Ernährung und insbesondere Faserstoffe, die mit der Nahrung aufgenommen werden. Die Einzelheiten sollen im Folgenden erläutert werden.

 

 

 

Die Rolle von Faserstoffen in der Ernährung

Einteilung der Faserstoffe
„Faserstoffe“ sind natürliche Bestandteile z.B. von Getreidekörnern, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse. Chemisch gesehen, handelt es sich bei den Faserstoffen um verschiedene Kohlehydratverbindungen (Einfach- und Polysaccharide), die – anders als Stärke – im Dünndarm von Säugetieren enzymatisch nicht aufgeschlossen werden können. Die Faserstoffe gelangen also unverändert in den Dickdarm und werden erst dort durch die Bakterien des Darmmikrobioms abgebaut.
Die Abbaubarkeit bzw. Fermentierbarkeit der einzelnen Faserstoffe unterscheidet sich und ist abhängig vom jeweiligen Rohfasergehalt und damit einhergehend der Wasserlöslichkeit. Unlösliche bzw. schwer lösliche Faserstoffe mit hohem Rohfasergehalt (z.B. Zellulose, Sojaschalen, Zuckerrübentrockenschnitzel) sind auch vom Darmmikrobiom nur schwer fermentierbar. Faserstoffe wie Gummi arabicum, Guarkernmehl und Apfelpektin dagegen weisen keinen Rohfasergehalt auf und sind leicht fermentierbar. Im vorliegenden Zusammenhang sind vor allem die löslichen und damit leicht fermentierbaren Faserstoffe von Bedeutung. Zu diesen zählen Einfach- und Polysaccharide wie Inulin und Guar (pflanzliche Speicherpolysaccharide), Fructooligo – saccharide (FOS), Galactooligosaccharide (GOS), Maltodextrin und auch Lactulose, ein synthetischer Zweifachzucker, der aus Galactose und Fructose aufgebaut ist. Aber auch pflanzliche Schleimstoffe wie Flohsamenschalen sind gut wasserlöslich und leicht fermentierbar.

Auswirkungen löslicher Faserstoffe auf das Darmmikrobiom und deren therapeutischer Nutzen bei CNI

Die genannten löslichen Faserstoffe werden vom Darmmikrobiom leicht abgebaut. Auf diese Weise dienen sie den Darmbakterien als Nahrung und werden daher auch „Präbiotika“ genannt. Allerdings profitieren nicht alle Darmbakterien in gleicher Weise von den löslichen Faserstoffen. So sind es vor allem Symbionten wie Bifidobakterien und Lactobazillen, die Präbiotika als Nahrung und damit als Energiequelle nutzen; Pathobionten wie Clostridien, E. coli und Salmonellen sind dagegen nicht in der Lage, lösliche Faserstoffe zu verwerten. Präbiotika in der Nahrung verschaffen also den Symbionten einen Wachstumsvorteil, der sie in die Lage versetzt, Pathobionten nach und nach zu verdrängen. Dies ist mit Blick auf die CNI von großer Bedeutung: Wie oben dargelegt, bilden Pathobionten verschiedene urämische Toxine, die die Nieren direkt schädigen und das Fortschreiten der Erkrankung begünstigen. Eine Verdrängung der Pathobionten durch die „Förderung“ der Symbionten führt damit zu einem geringeren Aufkommen dieser Toxine, wodurch die Nieren entlastet werden.
Aber auch die Stoffwechselprodukte, die entstehen, wenn Symbionten leicht fermentierbare Faserstoffe abbauen, sind von Bedeutung. Je nach Bakterienstamm handelt es sich hierbei um Buttersäure, Propionsäure, Essigsäure, Milchsäure sowie um deren Salze, die kurzkettigen Fettsäuren (Short Chain Fatty Acids SCFA) Butyrat, Propionat, Acetat und Laktat. So wird z.B. die Buttersäure von den Enterozyten (Darmzellen) bevorzugt als Energiequelle genutzt. Weiterhin besitzt sie antiinflammatorische (entzündungshemmende) Eigenschaften und wird von der Darmschleimhaut zur Produktion des schützenden Mukus benötigt. Auf diese Weise wird die Barrierefunktion der Darmwand gestärkt. Dies ist bei der CNI ebenfalls von großer Bedeutung, da es bei dieser Erkrankung, bedingt durch die nachlassende Filtrationsleistung der Nieren und eine Überwucherung mit Pathobionten, zu erhöhten Ammoniakkonzentrationen im Darm kommt, die die Schleimhaut schädigen. Wird die Produktion von Buttersäure, durch die gezielte „Fütterung“ der Symbionten mit löslichen Faserstoffen, erhöht, verbessert sich die Regenerations- und Widerstandsfähigkeit der Darmwand.

Grafik 2: ©Nicole Schulte-Kulkmann

Die hauptsächlich von Bifidobakterien und Lactobazillen produzierte Milchsäure senkt wiederum den pH-Wert im Darm. Diese „Ansäuerung“ des Darminhaltes erschwert die Diffusion des Ammoniaks aus dem Darm in das Blut (s.o.), da Ammoniak im sauren Milieu zunehmend in Ammonium umgewandelt wird. Ammonium wird mit dem Kot ausgeschieden, sodass dem Körper auf diese Weise das belastende Ammoniak teilweise entzogen wird. Auch dies trägt zur Entlastung der Nieren bei. Kurzkettige Fettsäuren (SCFA), die ebenfalls als Stoffwechselprodukte der Symbionten anfallen, haben ihrerseits eine direkt protektive Wirkung auf die Darmschleimhaut. So wirken auch Butyrate Entzündungen entgegen und ernähren die Darmschleimhaut. Damit wird die durch die Wechselwirkung von nachlassender Nierenfunktion und zunehmender Dysbiose im Verlauf einer CNI fortschreitende Durchlässigkeit der Darmschleimhaut („leaky gut“ s.o.) vermindert, „lecke“ Stellen können besser „gestopft“ werden. Auf diese Weise wird die systemische Entzündung, die aus dem Kontakt des Darmmikrobioms mit dem Immunsystem des Tieres resultiert und ihrerseits die Nieren schädigt, vermindert.
Darüber hinaus haben die SCFA auch direkte nephroprotektive Eigenschaften, indem sie Entzündungsreaktionen vor Ort im erkrankten Nierengewebe vermindern, die Apoptoserate (Apoptose = programmierter Zelltod) der Nierenzellen senken und die Neubildung von Nierenepithelzellen fördern.
Die positiven Wirkungen von Präbiotika konnten auch in Studien, die in jüngerer Zeit zu diesem Thema durchgeführt wurden, bestätigt werden. Hier führte die orale Aufnahme des löslichen Faserstoffs Inulin dazu, dass die Konzentration von Harnstoff, p-Cresol und Indoxylsulfat im Serum vermindert wurde, die Kreatinin- Clearance sich verbesserte sowie Entzündungsreaktionen und Fibrose des Nierengewebes zurückgingen.
Es wird somit deutlich, dass die Schaffung eines gesunden Darmmikrobioms durch die gezielte Förderung von Symbionten mithilfe von Präbiotika einen erheblichen Einfluss auf die Nierengesundheit hat und damit einen wichtigen Beitrag zur positiven Beeinflussung der CNI leistet. Die Grafik 2 soll diesen Zusammenhang nochmals verdeutlichen.

Lösliche Faserstoffe stellen also einen wichtigen Baustein in der Behandlung der CNI dar, weshalb im Folgenden auf deren Einsatz in der Praxis näher eingegangen werden soll.

Lösliche Faserstoffe als Therapiebaustein in der Praxis

Zu den gängigen löslichen Faserstoffen zählen Inulin, (Apfel)pektin, Guar(kernmehl) und Lactulose.
Inulin ist aus Polysacchariden (Vielfachzucker) und Fructosebausteinen aufgebaut und zählt zu den Fructanen. Inulin wird von vielen Pflanzen als Speicherstoff für Energie gebildet, so z.B. von Pastinake, Chicorée und Tobinambur. Für die Gewinnung von Inulin werden hauptsächlich Chicorée und Tobinambur verwendet. Inulin ist wasserlöslich.
Apfelpektin ist ebenfalls ein Vielfachzucker und wird aus Apfelschalen gewonnen. Andere Quellen für Pektine sind Hagebutten, Zitrusschalen, Möhren. Beim Kontakt mit Wasser entsteht ein viskoser Schleim.
Guar(kernmehl) wird aus den gemahlenen Samen der Guarpflanze gewonnen und ist ebenfalls ein Polysaccharid. Ebenso wie Pektine bildet auch Guar einen Schleim, wenn es in Wasser gegeben wird.
Lactulose ist ein synthetisch aus Galactose und Fructose hergestellter Zweifachzucker, der in der Natur nicht vorkommt. Lactulose ist leicht in Wasser löslich. Alle genannten löslichen Faserstoffe sind sehr leicht in den Therapieplan zu integrieren. Zum einen sind sie einfach zu beschaffen, z.B. über Apotheken oder Reformhäuser. Auch der Preis liegt relativ niedrig, wobei Guarkernmehl, gefolgt von Inulin, Apfelpektin und Lactulose, am günstigsten ist. Insofern sollte es keine Schwierigkeiten machen, die Halter von der Gabe der Präbiotika zu überzeugen, auch wenn diese schon gewisse Kosten für die CNI-Therapie ihres Tieres zu tragen haben.
Die Verabreichung stellt keinerlei Schwierigkeiten dar, was insbesondere bei Katzen von großer Bedeutung ist und die Therapietreue der Halter deutlich erhöht. Die Präbiotika können mit dem Futter gegeben werden. Dabei lassen sich Inulin und Lactulose sehr leicht und vollständig in Wasser lösen, sie können also direkt unter das Nassfutter gemischt oder mit Wasser aufgezogen in einer Spritze ins Maul verabreicht werden. Guar und Apfelpektin müssen vor der Verfütterung mit reichlich Wasser zu einer viskosen Masse angerührt und erst dann unter das Futter gegeben werden. Sie dürfen nicht trocken, als Pulver, verabreicht werden, da sie ansonsten bei der Passage durch den Verdauungstrakt zu viel Wasser absorbieren, was dann zu hartem Kot und Verstopfung führen kann.
Allerdings mögen nicht alle Tiere die „schleimige“ Konsistenz des mit Guar bzw. Apfelpektin vermischten Futters, vor allem bei Katzen kann es hier zu Verweigerung kommen. Darüber hinaus hat Apfelpektin einen leicht säuerlichen Geschmack, was die Akzeptanz ebenfalls vermindern kann.
Die Dosierung muss unbedingt einschleichend erfolgen. Vor allem bei bestehender Dysbiose ist das Darmmikrobiom in der Anfangszeit nicht auf die Verwertung größerer Mengen löslicher Faserstoffe eingestellt, was dann zu Blähungen und Durchfall führt. Da sich an CNI erkrankte Tiere häufig per se nicht sehr wohl fühlen, teilweise unter Übelkeit und Magen-Darmbeschwerden leiden, ist eine weitere Verstärkung dieses Unwohlseins durch anfängliche Überdosierung der löslichen Faserstoffe auf jeden Fall zu vermeiden.
Die genannten Dosierungen sind lediglich Richtwerte – die Kotkonsistenz und das Befinden des Tieres müssen genau beobachtet und die Dosierung dann entsprechend angepasst werden.
Alle genannten löslichen Faserstoffe haben die gleichen positiven Eigenschaften hinsichtlich der Ernährung der Symbionten und damit der positiven Beeinflussung des Darmmikrobioms.

Sie können daher analog verwendet werden. Die quellenden und verdickenden Eigenschaften von Guar und Apfelpektin haben darüber hinaus noch weitere Wirkungen, die therapeutisch bei eventuell parallel zur CNI bestehenden Erkrankungen genutzt werden können: Beide Stoffe binden in hohem Maße Flüssigkeit. Dadurch erhöht sich das Volumen der Mahlzeit, die Sättigung wird erhöht und die Magenentleerung verzögert. Auf diese Weise verlangsamt sich auch die Aufnahme von Kohlehydraten aus der Nahrung, womit Blutzuckerspitzen vermieden werden, was z.B. bei diabetischen Tieren von Bedeutung ist. Außerdem wird durch die starke Wasserbindung auch das Stuhlvolumen vergrößert und die Stuhlkonsistenz aufgeweicht, wovon Tiere, die unter Darmträgheit und Verstopfung leiden, profitieren. Nach Erfahrung der Autorin gibt es bei Inulin und Lactulose die geringsten Akzeptanzprobleme; beide Stoffe sind für die Tiere geschmacksneutral, während Apfelpektin, wie erwähnt, leicht säuerlich schmeckt und daher insbesondere von Katzen häufig abgelehnt wird. Allerdings gestaltet sich die Dosierung von Lactulose in der Praxis der Autorin oft als etwas schwierig; hier kommt es schneller zu weichem Kot/Durchfall als bei den anderen Präbiotika, sodass besonders vorsichtig vorgegangen werden muss. Die besten Erfahrungen hinsichtlich der Verträglichkeit liegen mit Inulin vor, welches daher von der Autorin auch bevorzugt eingesetzt wird.

Es zeigt sich also, dass die genannten löslichen Faserstoffe eine für den Halter sehr einfach zu handhabende und überdies sehr kostengünstige Methode darstellen, das Darmmikrobiom des Tieres und damit eine bestehende CNI positiv zu beeinflussen. Darüber hinaus empfiehlt es sich aber ganz generell, unabhängig von einer bestehenden Nierenproblematik, Präbiotika in die Ration von Hunden und Katzen jeden Alters zu integrieren. Auf diese Weise kann eine vorbeugende Wirkung erzielt und die Nierengesundheit bereits in jungen Jahren gefördert werden.
Eine nicht zu unterschätzende Schwierigkeit stellt sich jedoch: Wie oben dargelegt, handelt es sich bei den löslichen Faserstoffen chemisch gesehen um Kohlehydrate, genauer gesagt um Mehrfachzuckerverbindungen. Nun verbreitet sich unter Tierhaltern seit einiger Zeit – nicht zuletzt befeuert durch Diskussionen in Laien-Internetforen – immer mehr die Auffassung, dass „Zucker“ und „Kohlehydrate“ im Tierfutter (und insbesondere im Katzenfutter) per se schlecht und daher abzulehnen seien. Dabei wird regelmäßig nicht zwischen löslichen Faserstoffen und der (übermäßigen) Aufnahme von Stärke und Glukose (Traubenzucker) bzw. Saccharose (Haushalts – zucker) unterschieden. Hier besteht tatsächlich ein Problem. Hunde und vor allem Katzen können Stärke nur schlecht verdauen. Glukose entsteht als Endprodukt durch die Verstoffwechslung von stark stärkehaltigen Futtermitteln (z.B. Trockenfutter mit einem hohen Anteil an Getreide, (Süß-)Kartoffeln, Erbsen usw.). Im Übermaß aufgenommen, kann Glukose zu Diabetes, Übergewicht und Fettlebersyndrom führen. Aber auch wenn es sich – chemisch gesehen – bei den löslichen Faserstoffen um die Mitglieder der gleichen „Familie“ (der Kohlehydrate) wie Stärke, Glukose und Saccharose handelt, so dürfen sie doch nicht „über den gleichen Kamm geschoren“ werden.
Während sich aus der Aufnahme von Stärke etc. in der Tat gesundheitliche Nachteile ergeben können, sind die löslichen Faserstoffe der Gesundheit nicht nur förderlich, sondern für die Aufrechterhaltung eines gesunden Darmmikrobioms sogar unerlässlich. Ein völlig kohlehydratfreies Hunde- bzw. Katzenfutter ist somit mitnichten „artgerecht“ bzw. „gesund“; im Gegenteil sollten Kohlehydrate in Gestalt löslicher Faserstoffe unbedingt enthalten sein, da diese das Darmmikrobiom ernähren und gesund erhalten. Dieser Unterschied zwischen löslichen Faserstoffen und anderen Kohlehydraten wie Stärke ist den Tierhaltern unbedingt zu verdeutlichen, da diese ansonsten die Anreicherung der Ration mit Präbiotika ablehnen könnten.

Empfohlene Dosierungen

Inulin

Katze/kleine Hunde: Start: 0,5g pro Tier und Tag gleichmäßig verteilt auf die gesamte Tagesration; Enddosis 2g pro Tier und Tag
Mittlere Hunde: Start: 1g pro Tier und Tag gleichmäßig verteilt auf die gesamte Tagesration; Enddosis 5g pro Tier und Tag
Große Hunde: Start: 5g pro Tier und Tag gleichmäßig verteilt auf die gesamte Tagesration; Enddosis 10g pro Tier und Tag

Guar/ Pektin

0,5-2g pro kg Körpergewicht pro Tag (verteilt auf die gesamte Tagesration)

Lactulose

1-2ml pro kg Körpergewicht pro Tag (verteilt auf die gesamte Tagesration)

Einfluss von Nahrungsergänzungsmittel auf das Darmmikrobiom und CNI

Abschließend soll noch darauf hingewiesen werden, dass auch einige Nahrungsergänzungsmittel (NEM), die für alte Hunde und Katzen – und damit für Tiere, die häufig bereits an CNI erkrankt bzw. gefährdet sind, eine CNI auszubilden – angeboten werden, einen negativen Einfluss auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms und damit auf den Verlauf bzw. die Entwicklung einer CNI haben können.
Zum einen sind hier NEM mit dem Bestandteil Tryptophan zu nennen. Diese NEM werden ängstlichen Tieren zur Beruhigung in konkreten Situationen (Tierarztbesuch, Sylvesterfeuerwerk usw.) verordnet bzw. bei Tieren angewendet, die unter chronischem Stress (z.B. Katzen in Mehrkatzenhaushalten) oder kognitiver Dysfunktion leiden. Tryptophan als Vorstufe des Serotonin (das „Glückshormon“) soll hier anxiolytisch (angstlösend) und stressreduzierend wirken. Daneben gibt es auch Fertigfuttermittel mit derselben Indikation, die mit Tryptophan angereichert sind.
Tryptophan wird im Darm jedoch – insbesondere durch Pathobionten wie Escherichia coli – zu dem urämischen Toxin Indoxylsulfat umgewandelt, welches die Entstehung einer CNI begünstigen bzw. eine bestehende CNI verschlechtern kann (s.o.). D.h., mit Tryptophan angereicherte Futtermittel und NEM sollten bei alten Tieren generell und insbesondere bei Tieren mit CNI nur nach strenger Indikationsstellung angewendet werden.
Das gleiche gilt für die Aminosäure Carnitin, die ebenfalls häufig – pur oder in Form von NEM – der Ration von Hunden und Katzen zugesetzt wird. Dabei soll Carnitin in erster Linie bei übergewichtigen Tieren die Fettverbrennung unterstützen; bei Hunden mit Herzerkrankungen wird Carnitin zur Stärkung des Herzmuskels eingesetzt. Carnitin wird im Darm ebenfalls zu einem urämischen Toxin umgewandelt (Trimethylamin N-Oxid – TMAO), welches die Nieren schädigt (s.o.). Insofern sollte auch die Gabe von Carnitin bei alten und vor allem bei an CNI leidenden Tieren nur nach strenger Indikationsstellung und keinesfalls „vorbeugend“ oder „unterstützend“ erfolgen.
Abschließend ist noch Lecithin zu nennen. Auch diese Aminosäure wird häufig in Gestalt von NEM an ältere Tiere verfüttert, z.B. um die Fellqualität zu verbessern oder generell die Gesundheit und Vitalität zu fördern. Lecithin wird ebenfalls von Pathobionten in das urämische Toxin TMAO umgewandelt. Daher sollte auch Lecithin nicht leichtfertig, sondern nur nach genauer Abwägung und Indikationsstellung gegeben werden.

Fazit

In der Tiermedizin findet das Darmmikrobiom momentan noch überwiegend im Zusammenhang mit Verdauungsproblemen Beachtung. Die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen dem Darmmikrobiom und Erkrankungen anderer Organ – systeme, die die neuere Forschung nach und nach aufdeckt, veranlassen jedoch dazu, diesen Blickwinkel zu weiten. Insbesondere die gegenseitige Beeinflussung von Darmmikrobiom und chronischer Nierenerkrankung verlangt genauere Betrachtung, da die CNI eine der häufigsten Erkrankungen der alternden Hunde und Katzen darstellt. So konnte gezeigt werden, dass ein im Sinne einer Dysbiose „aus dem Gleichgewicht“ geratenes Darmmikrobiom direkt nierenschädlich wirkt und das Fortschreiten einer CNI begünstigt. Umgekehrt lässt sich durch die Gesunderhaltung des Darmmikrobioms die Niere schützen bzw. der Verlauf einer CNI positiv beeinflussen. Insofern ist die Darmgesundheit bei einem an CNI erkrankten Tier unbedingt mit in den Blick zu nehmen. Hier kommt den löslichen Faserstoffen als „Nahrung“ für Symbionten im Darmmikrobiom eine entscheidende Rolle zu. Für die tierheilkundliche Praxis bedeutet dies, dass mit der Integration von löslichen Faserstoffen in die Ration CNI-kranker Tiere ein therapeutischer Ansatz zur Verfügung steht, der die CNI direkt ursächlich bekämpft, indem das Aufkommen urämischer Toxine vermindert wird. Da lösliche Faserstoffe überdies sehr preisgünstig, leicht zu beschaffen und einfach zu verabreichen sind, sollte dieser Baustein unbedingt in die Behandlung der CNI integriert werden. Darüber hinaus empfiehlt es sich angesichts der großen Bedeutung eines intakten Darmmikrobioms für die Nierengesundheit, lösliche Faserstoffe generell in die Ration von Hunden und Katzen zu integrieren, um auf diese Weise eine vorbeugende Wirkung zu erzielen.

Nicole Schulte-Kulkmann
Mobile Tierheilpraxis für Katzen
kontakt@katz-daheim.de

 

Quellen

  • Al Khodor, Souhaila/Shatat, Ibrahim F. (2017). Gut microbiome and kidney disease: a bidirectional relationship. In: Pediatric Nephrology, Vol.32; 921-931; DOI: 10.1007/s00467-016-3392-7
  • Bolbecher, Gisela/Dillitzer, Natalie (Hrsg.)(2020). Ganzheitliche Ernährung für Hund und Katze. Individuell – typgerecht – natürlich. Stuttgart: Thieme
  • Chen, Yuan-Yuan et al. (2019). Microbiome-metabolome reveals the contribution of gut-kidney axis on kidney disease. In: Journal of Translational Medicine, Vol.17, No.5; DOI: 10.1186/s12967-018-1756-4
  • Machac, Nina (2020). Das Mikrobiom im Tier – eine unbekannte Welt. In: Vetjournal, Vol. 73, No.4 (2020); 36-39.
  • Ramezani, Ali et al. (2016). Role of the Gut Microbiome in Uremia: A Potential Therapeutic Target. In: American Journal of Kidney Diseases, Vol.67, No.3; 483-498; DOI: 10.1053/j.ajkd.2015.09.027
  • Weitere Literatur bei der Autorin Foto: © Africa Studio – AdobeStock

Aus der Verbandszeitschrift des Internationalen Tierheilpraktikerverbandes e.V. „tierisch geheilt“ | Ausgabe 2/2021