Wir haben ein Pferd in den besten Jahren – endlich ist das Vertrauensverhältnis aufgebaut, es ist engagiert und einsatzfreudig, arbeitet gern mit und setzt sich ein. So könnte es immer weitergehen! Früher oder später kommt der Zeitpunkt, an dem es anfälliger für Infekte wird, der Bauch öfter grummelt oder es sich (natürlich ohne bewusste Absicht) durch Lahmheiten aus dem Verkehr zieht und sich Pausen verschafft.
Wartet man immer nur darauf, bis die Unpässlichkeit und Krankheit vorüber ist und geht zur Tagesordnung über, provoziert man ähnliche und schlimmere Situationen. Es gehört viel Fingerspitzengefühl dazu zu erkennen, wann die Belastung zu viel wird, auch wenn das Pferd „arbeiten“ will.
Kontraproduktiv ist es ebenfalls das Pferd gleich „ in Rente“ zu schicken – es will ja noch gebraucht werden, aber eben in seinem ihm möglichen Rahmen.
Der Alterungsprozess
Was passiert nun beim„ natürlichen“ Alterungsprozess, den wir übrigens nicht so einfach hinnehmen müssten – wir haben genügend Möglichkeiten an der Hand, schon während sich das Pferd noch in vollem Einsatz befindet zu testen, ob sich Defizite abzeichnen und dann auch gleich gegenzusteuern. Damit lässt sich der Zeitpunkt des „Älterwerdens“ oft weit hinauszögern.
Die Organe werden imLaufe der Zeit schwächer in ihrer Leistung– am meisten bekannt ist die Herzschwäche, die zu Leistungsminderung führt, weil der Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden kann. Aber auch die Ausscheidungsorgane wie die Leber und die Nieren nehmen in ihrer Leistungsfähigkeit ab, so dass es zur Ansammlung von Abfallprodukten und Schlackstoffen im Bindegewebe und in den Gelenken kommt und die Lymphbahnen verstopft werden.
Das führt automatisch zu einer Leistungsminderung – wird über diese Grenze hinweg Leistung gefordert (gern wird in diesem Zusammenhang von Triebigkeit und Widersetzlichkeit gesprochen), kommt es zu oben beschriebenen Krankheitsfällen. Spätestens dann sollte reagiert und der ganze Organismus unterstützt werden.
Natürlich nimmt im Alter die Stoffwechselleistung ab und auch der Darm ist oft durch vorangegangenen Wurmbefall, Wurmkuren, Pilzinfektionen und falsche Bakterienbesiedlung in seiner Funktion eingeschränkt – das Ergebnis ist, dass das Pferd trotz gleichbleibender Fütterung und Futtermenge beginnt abzunehmen.
Angepasste Fütterung
Das ist der Zeitpunkt, der leider sehr häufig übersehen wird. Egal wie gut das Tier früher sein Futter verwertet hat, wie wenig Menge es bekommen durfte, um nicht fett zu werden – jetzt ist es absolut notwendig, die Futtermenge zu erhöhen. Es muss Heu „ satt“ bekommen, d.h. 24 Stunden Heu zur Verfügung haben und entsprechend große Kraftfutterrationen, die auch einen relativ hohen Eiweißgehalt aufweisen müssen, weil Muskelaufbau nur mit Aminosäuren aus dem Futtereiweiß möglich ist.
Die Besitzer müssen oft aufgeklärt werden, dass man die Muskulatur nicht auftrainieren kann, wenn der Körper in einer Mangelsituation ist und das ist er, wenn er zu mager ist und abnimmt – er lebt in einem solchen Fall von seiner Muskelsubstanz, weil die Fettreserven nichtmehr ausreichen. Also auffüttern, Muskeln in Ruhe entwickeln lassen und dann trainieren.
Was den Eiweißgehalt anbelangt, muss bei speziellen Seniorenfuttermitteln genau auf den Beipackzettel geschaut werden. Manche dieser Mischfutter sind sehr eiweißreduziert, um nicht mehr gerittene Pferde nicht mit zu viel Eiweiß zu belasten… – andere haben viel Eiweiß und sind thermisch aufgeschlossen, so dass sie auch leichter verdaut werden können. Das ist die richtige Variante für den Fall des Pferdes, das beginnt abzubauen.
Natürlich muss in diesem Zusammenhang auch an die Pferdezähne gedacht werden, die sich in zunehmendem Alter sehr verändern können – von Zahnhaken durch ungleichmäßige Kaubewegungen, die schmerzhafte Verletzungen verursachen, über abgenutzte Zähne, die unter Umständen auch ausfallen können bis zu rückgebildeter Kaumuskulatur durch schlechte Zähne.
Wenn sich Störungen in diesem Bereich nicht beheben lassen, muss auf die Fütterung breiiger Futtermittel umgestellt werden. Als Grundlage eignen sich eingeweichte Grascobs, die gut mit Quetschhafer, geschroteter Gerste, gepopptem Mais, thermisch aufgeschlossenem Müsli, Mash, Öl, Mineralfutter etc. vermischt werden können.
Es muss viel Energie in wenig Futtermenge zur Verfügung stehen, damit das Tier seinen Körper erhalten kann. Wichtig ist, dass die Gesamtration auch genügend Raufutter enthält, damit die zellulosespaltenden Darmbakterien gut überleben und zur Gesundheit des Tieres beitragen können.
Es macht Sinn, bei einem älteren Pferd präventiv Blutuntersuchungen machen zu lassen, um Einschränkungen und Probleme frühzeitig zu erkennen und gegensteuern zu können. Auch eine Kotuntersuchung auf Wurmeier ist sinnvoll, damit ein zu behandelnder Wurmbefall nicht übersehen wird.
Auf der Grundlage solcher Befunde und der Untersuchung durch einen Therapeuten können individuelle Behandlungspläne zur Regeneration und Funktionsverbesserung aller Körperstrukturen erstellt werden. Es muss auch beachtet werden, dass sich der Körper im Laufe der Zeit verändert und dass ein Sattel, der einmal gut gepasst hat, unter Umständen nichtmehr passt und sehr schaden kann.
Die richtige Bewegung
Das Thema Bewegung spielt eine wesentliche Rolle: Bei Einschränkungen durch vorausgegangene Verletzungen und der im Alter häufigen Arthrose muss individuell entschieden werden, was diesem Pferd zuträglich ist und was ihm schadet. Generell gilt für Arthrosepatienten: Bewegung ja, Belastung nein, d.h. möglichst 24 Stunden Bewegungsmöglichkeit, damit die Gelenke gut versorgt werden und weniger Probleme machen. Bei der klassischen Boxenhaltung ist diese Voraussetzung nicht gegeben.
Offenstallhaltung ist im Alter oftmals problematisch, weil das Thema Rangordnung eine Rolle
spielt. Ein ranghohes Tier wird auch beim Älterwerden von der Gruppe geachtet, aber ein rangniedriges Tier oder ein neu hinzugekommenes Pferd haben Probleme. Ein älteres Pferd will sich auch ohne Stress ausruhen und zum Schlafen hinlegen können – manchmal ist das nur in der Kombisituation von Box mit Paddock möglich, weil das Tier seinen eigenen Bereich zur Verfügung hat, um zu ruhen und auch in Ruhe zu fressen.
Haltung von älteren Pferden
Jeder Therapeut und jeder Pferdebesitzer sollte regelmäßig kritisch hinterfragen, ob Haltung, Fütterung und Belastung für dieses spezielle Pferd passen und bei Mängeln für ein verbessertes Management sorgen. Ein Pferd muss nicht erst durch Krankheit zeigen müssen, dass etwas nicht stimmt.
Tierhomöopathie Ausgabe 4/2015
Bei Älterwerden begleiten