Nicht nur „Globuli“ sind betroffen

Am 28.01.2022 trat das neue Tierarzneimittelgesetz (TAMG) in Kraft. Damit setzte der deutsche Gesetzgeber die EU-Verordnung (EU) 2019/6 in nationales Recht um.

Bereits im Vorfeld gab es massive Vorbehalte und Beschwerden, u.a. in Gestalt von Petitionen seitens der Tierheilpraktikerschaft gegen die neue Rechtsnorm, welche als „Berufsverbot durch die Hintertür“ bezeichnet wurde (vgl. Pressemitteilung des Berufsverbandes Klassischer Tierhomöopathen Deutschlands e.V. ((BkTD)) vom 12.11.2021). Im Fokus steht hier der §50 Abs.2 TAMG, welcher die Verordnung und Verabreichung von apothekenpflichtigen Humanarzneimitteln einem Tierarztvorbehalt unterstellt. Hiergegen hatten einige Tierheilpraktikerinnen, die als Klassische Tierhomöopathinnen fast ausschließlich mit derartigen Arzneimitteln (in diesem Fall Humanhomöopathika) arbeiten und sich nun ihrer Tätigkeitsgrundlage beraubt sahen, Verfassungsbeschwerde eingelegt. Gleichzeitig hatten die Beschwerdeführerinnen mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Aussetzung des Vollzuges des §50 Abs.2 TAMG erreichen wollen (1 BvR 2380/21 und 1 BvR 2449/21). Am 24.01.2022 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diese Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (BVerfG, Beschluss des Ersten Senates vom 24. Januar 2022 – 1 BvR 2380/21, 1 BvR 2449/21 – Rn. ((1-41)), http://www.bverfg.de/e/ rs20220124_1bvr238021.htm).

Worum geht es?

Die durch die o.g. Verfassungsbeschwerden angegriffene Rechtsnorm ist §50 Abs.2 TAMG.

§50 Abs.2 TAMG legt Folgendes fest:

„Tierhalterinnen und Tierhalter sowie andere Personen, die nicht Tierärztinnen oder Tierärzte sind, dürfen verschreibungspflichtige Tierarzneimittel und veterinärmedizintechnische Produkte sowie Arzneimittel nach §2 Absatz 1, 2 und 3a des Arzneimittelgesetzes bei Tieren nur anwenden, soweit.

1. diese von einer Tierärztin oder einem Tierarzt verschrieben oder abgegeben worden sind, bei der oder dem sich die Tiere in Behandlung befinden, und

2. die Anwendung gemäß einer tierärztlichen Behandlungsanweisung, die die Tierärztin oder der Tierarzt für den betreffenden Fall ausgehändigt hat, erfolgt.“

 

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Der Gesetzgeber begründet den in §50 Abs.2 TAMG festgeschriebenen „Tierarztvorbehalt“ mit der Notwendigkeit der „Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus bei der Anwendung von Tier- und Humanarzneimitteln bei Tieren, weil diese Auswirkungen auf die Lebensmittelkette, die Beschaffenheit von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, die Umwelt, die Tiergesundheit und über die Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen auch auf die öffentliche Gesundheit haben könne“ (Rn.9; siehe auch BTDrucks 19/28658, S.109, 128).

In den o.g. Verfassungsbeschwerden geht es darum, die Verfassungsmäßigkeit dieses „Tierarztvorbehaltes“ auch mit Blick auf Humanhomöopathika zu überprüfen – bisher war es gängige Praxis, dass insbesondere die klassisch-homöopathisch arbeitenden THP (aber auch andere THP, die homöopathische Arzneimittel bei ihren Patienten anwenden) auf derartige – apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige – Humanhomöopathika zurückgriffen. Mit Inkrafttreten des §50 Abs.2 TAMG wird nun diese Anwendung von Humanhomöopathika unter einen Tierarztvorbehalt gestellt.

Bedingt durch die Verfassungsbeschwerden der vorwiegend klassisch-homöopathisch arbeitenden Tierheilpraktikerinnen liegt der Schwerpunkt der Debatte in der Tierheilpraktikerschaft über den §50 Abs.2 TAMG momentan auf dem Tierarztvorbehalt für Humanhomöopathika bzw. auf einem möglichen „Berufsverbot“ für Klassisch- homöopathisch arbeitende THP. Aber auch THP, die mit anderen Therapieformen arbeiten, sind vom Tierarztvorbehalt des §50 Abs.2 TAMG erheblich betroffen. Ich habe hierzu einige Beispiele, wie sie mich in meiner eigenen Praxis aktuell betreffen, zusammengestellt.

1. Beispiel Phytotherapie

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In der Phytotherapie gibt es nur sehr wenige für Tiere bzw. für einzelne Tierarten zugelassene Arzneimittel. Hintergrund ist, dass auch Phytotherapeutika als Arzneimittel dem Arzneimittelgesetz (AMG) unterliegen. Das heißt, bevor sie auf den Markt gebracht werden können, müssen sie ein behördliches Zulassungsverfahren durchlaufen, in dem die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sowie die erforderliche pharmazeutische Qualität überprüft werden. Allerdings gibt es selbst im Humanbereich für viele Pflanzen keine hinreichenden Daten zur Beurteilung der Toxizität (Giftigkeit). Dieser Datenmangel resultiert nicht zuletzt daraus, dass umfassende wissenschaftliche Untersuchungen von Arzneipflanzen für die Hersteller aufgrund der hohen Kosten nicht wirtschaftlich durchzuführen sind und daher unterbleiben. Dies gilt umso mehr für die Tiermedizin, da hier zusätzlich noch die vielen tierartlichen Unterschiede Berücksichtigung finden müssen, was die Kosten wissenschaftlicher Analysen weiter in die Höhe treibt. Dementsprechend gibt es nur sehr wenige für Tiere zugelassene phytotherapeutische Arzneimittel.

In der Vergangenheit war es den phytotherapeutisch arbeitenden THP möglich, auf apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige pflanzliche Human- Arzneimittel zurückzugreifen, indem diese für das jeweilige zu behandelnde Tier umgewidmet wurden. Diese Verwendung von apothekenpflichtigen, aber nicht verschreibungspflichtigen pflanzlichen Human- Arzneimitteln brachte viele Vorteile mit sich, die ich in der Vergangenheit in meiner Praxis gerne genutzt habe. Zum einen ist hier die Identität und Reinheit des pflanzlichen Ausgangsmaterials durch eine entsprechende pharmazeutische Prüfung gesichert. Es ist also gewährleistet, dass sich keine anderen Pflanzen (möglicherweise Giftpflanzen, mit denen Verwechslungsgefahr besteht) bzw. Schadorganismen, Rückstände von Pestiziden, Schwermetallen, Radioaktivität usw. im Ausgangsmaterial finden.

Des Weiteren handelt es sich bei den apothekenpflichtigen, aber nicht verschreibungspflichtigen pflanzlichen Human- Arzneimitteln oft um so genannte standardisierte Extrakte. Dies bedeutet, dass trotz der Variationen hinsichtlich Wirkstoffgehalt etc. im natürlichen Ausgangsmaterial und Variationen, die sich durch den Produktionsprozess ergeben, in jeder Arzneimitteleinheit (z.B. Tablette, Kapsel etc.) immer der identische Wirkstoffgehalt vorliegt und sich somit eine gleichbleibende, reproduzierbare Arzneimittelwirkung erzielen lässt. Hieraus ergibt sich eine hohe Sicherheit bei der Anwendung: Ich kann mich als Therapeutin darauf verlassen, dass das zu behandelnde Tier mit der verordneten z.B. „1/2 Tablette“ eines pflanzlichen Arzneimittels stets die gleichbleibende Menge des jeweiligen Wirkstoffes zu sich nimmt – nicht mehr (was ggf. zu gesundheitlichen Schäden durch Überdosierung führen könnte) und auch nicht weniger (was den Therapieerfolg durch Unterdosierung gefährden könnte).

Die Verwendung von apothekenpflichtigen, aber nicht verschreibungspflichtigen pflanzlichen Human-Arzneimitteln im Zuge der Umwidmung ist nach dem neuen TAMG nicht mehr zulässig; es gilt auch hier der Tierarztvorbehalt. Für mich als THP bedeutet das, dass ich nun auf pflanzliche Ergänzungsfuttermittel bzw. Einzelfuttermittel zurückgreifen muss. Hier stellt sich jedoch das Problem, dass Ergänzungsfuttermittel – im Gegensatz zu pflanzlichen Arzneimitteln – keinem behördlichen Zulassungsverfahren unterworfen sind. Zwar werden die Ergänzungsfuttermittel behördlicherseits im Rahmen von Probenahmen regelmäßig auf verbotene bzw. unerwünschte Stoffe untersucht, die nicht bzw. nur bis zu bestimmten Grenzwerten enthalten sein dürfen. Für die Gewährleistung der Sicherheit und Unbedenklichkeit der Ergänzungsfuttermittel Foto: © isayildiz – iStock 14 tierischgeheilt 2/2022 RECHT ist dagegen allein der jeweilige Futtermittelunternehmer, der die Ergänzungsfuttermittel herstellt bzw. in Verkehr bringt, verantwortlich. Damit unterliegen pflanzliche Ergänzungs- und Einzelfuttermittel gerade nicht den strengen Anforderungen, was den wissenschaftlich fundierten Nachweis der Sicherheit, Verträglichkeit und Toxizität angeht. Auch gibt es in diesem Segment keine standardisierten Extrakte, es besteht also kein Schutz vor schwankenden Konzentrationen an arzneilich wirksamen Inhaltsstoffen im Produkt, was die Dosierungssicherheit negativ beeinflusst.

Weiterhin gibt es nicht für alle Wirkstoffe, die als apothekenpflichtige, nicht rezeptpflichtige Arzneimittel vorliegen, Ersatz im Bereich der Einzel- und Ergänzungsfuttermittel. Als ein Beispiel sei hier das Curcumin genannt, das als entzündungshemmender Wirkstoff vor allem auch in der Arthrose-Therapie eingesetzt wird. Als Einzel- bzw. Ergänzungsfuttermittel wird i.d.R. Curcuma-Pulver angeboten. Dieses enthält zwar (in geringen Mengen) Curcumin, welches aber nicht bioverfügbar ist. Dies liegt daran, dass Curcumin nicht wasserlöslich ist und damit kaum resorbiert, sondern direkt über den Kot wieder ausgeschieden wird. Therapeutisch wirksam ist nur so genanntes „Micellen-Curcumin“: Hier wird das Curcumin- Molekül von hydrophilen („wasserliebenden“) Molekülen ummantelt; auf diese Weise kann das Curcumin durch die Darmmembran „geschleust“ und vom Körper überhaupt erst aufgenommen werden. Meines Wissens sind Produkte, die dieses bioverfügbare Micellen-Curcumin enthalten, nicht als Einzel- bzw. Ergänzungsfuttermittel für Tiere erhältlich. Dies bedeutet, dass uns THP aktuell der Einsatz von therapeutisch wirksamem Curcumin nicht mehr möglich ist.

Insofern bedeutet die aktuelle Rechtslage, die den Rückgriff auf pflanzliche Ergänzungs- bzw. Einzelfuttermittel erfordert, einen Rückschritt mit Blick auf das Wohl und die Gesundheit der zu behandelnden Tiere, da die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit dieser Futtermittel nicht an die der pflanzlichen Humanarzneimittel heranreichen.

2. Beispiel Ernährungsberatung / Rationsgestaltung

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Auch im Bereich der Ernährungsberatung merke ich, dass ich durch den Tierarztvorbehalt des §50 Abs.2 in meinen Optionen eingeschränkt werde.

So ist es z.B. bei der individuellen Rationsgestaltung häufig nötig, einzelne Elemente wie Vitamine, Mengen- oder Spurenelemente zu ergänzen, um eine bedarfsdeckende Ration für das jeweilige Tier zu kreieren. Nicht immer ist dies mit entsprechenden Ergänzungs- oder Einzelfuttermitteln zufriedenstellend möglich. Auch hier habe ich gerne auf apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtige Präparate (z.B. einzelne Vitamine, einzelne Spurenelemente) zurückgegriffen. Entscheidend war für mich wiederum die hohe Sicherheit und Reinheit der Präparate (s.o.).

Auch bei der gezielten Ergänzung von Rationen bei bestimmten Krankheitsbildern ergeben sich Probleme. Zu nennen sind hier z.B. die Omega-3-Fettsäuren bei der Behandlung der CNI, der Atopie oder der Arthrose. Die hier angebotenen Einzel- bzw. Ergänzungsfuttermittel (Fischöle) sind in der Regel deutlich zu gering konzentriert. Daher müsste eine sehr große Menge der Öle gegeben werden, um die therapeutisch wirksamen Mengen an EPA und DHA zuzuführen. Dies führt sowohl zu einer übermäßigen Kalorienaufnahme und damit potenziell zu Übergewichtigkeit beim behandelten Tier (was z.B. bei der Behandlung der Arthrose absolut kontraproduktiv ist) als auch häufig zu einem Verweigern der nötigen Mengen an Öl bzw. zu Verdauungsproblemen.

Als apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel stehen Omega-3-Fettsäuren in hochkonzentrierter Form zur Verfügung, sodass die therapeutischen Dosen z.B. bei der Katze schon mit Bruchteilen eines Milliliters pro Tag erreicht werden können. . Dadurch konnte Übergewicht bzw. das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen durch Rückgriff auf derartige Produkte vermieden werden. Diese Möglichkeit besteht nun nicht mehr, sodass es aktuell kaum mehr möglich ist, Omega-3-Fettsäuren in therapeutisch wirksamer Dosierung einzusetzen.

Darüber hinaus ist Fischöl als Ergänzungsfuttermittel sehr häufig mit hochgiftigen Dioxinen und Furanen belastet, was der Gesundheit unserer Heimtiere schadet. Dies ist bei den apothekenpflichtigen Omega-3-Präparaten für den Humangebrauch nicht der Fall. Insofern erweist sich die Notwendigkeit, auch hierfür ab sofort auf Ergänzungsfuttermittel zurückzugreifen, auch in diesem Fall als Rückschritt für die Gesundheit der behandelten Tiere.

3. Beispiel: Organotherapie

Ein weiterer Schwerpunkt meiner Praxis ist die Organotherapie, also die „Verwendung aufbereiteter tierischer Organe, Sekrete und Gewebe zu therapeutischen Zwecken.“ Hier arbeitete ich sowohl mit organotherapeutischen Präparaten der anthroposophischen Therapierichtung als auch mit der biomolekularen VitOrgan-Therapie/ zytoplasmatische Therapie.

Die Anwendung organotherapeutischer Präparate der anthroposophischen Therapierichtung ist für mich als THP nach der aktuellen Rechtslage nicht mehr möglich. Es gibt nur wenige für Tiere zugelassene Organotherapeutika Foto: © Vanessa Nunes – iStock tierischgeheilt 2/2022 15 RECHT der anthroposophischen Therapierichtung; diese waren seit jeher allein den Tierärzten vorbehalten. Eine Umwidmung der entsprechenden Humanpräparate ist nach Maßgabe des Art.5 Abs.2 TAMG nicht mehr möglich.

Die zytoplasmatische Therapie dagegen bietet eine vergleichsweise breite Palette an apothekenpflichtigen Präparaten an, die für einzelne Tierarten zugelassen sind und daher den Zusatz „ad us.vet.“ tragen; diese Präparate dürfen nach wie vor von THP bei der entsprechenden Tierart angewendet werden. Allerdings war es häufig sinnvoll, im Rahmen eines individuellen Therapieplanes die Veterinär- Präparate mit Humanpräparaten zu kombinieren. Dies ist aktuell nicht mehr möglich, woraus sich eine Einschränkung der Therapiemöglichkeiten ergibt, die insbesondere im Bereich der Behandlung von Allergien schwer zum Tragen kommt.

4. Beispiel: Homotoxikologie

Als letztes Beispiel möchte ich die Homotoxikologie nennen. Hier gibt es eine große Vielzahl an Präparaten, von denen jedoch nur ein kleiner Teil für Tiere zugelassen und mit dem Zusatz „ad us. vet.“ versehen ist. Das heißt, dass für uns THP eine Befolgung der einschlägigen Therapieschemata, die typischerweise Humanpräparate und ad us. vet.-Präparate kombinieren, nicht mehr möglich ist. Auch bei der Anwendung der Homotoxikologie unterliegen wir THP somit erheblichen Einschränkungen.

Zusammenfassung

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In der momentanen Debatte um den §50 Abs.2 TAMG liegt der Schwerpunkt stark auf den Auswirkungen der neuen Norm auf die Tätigkeit von Klassischen Tierhomöopathen. An den oben aufgeführten Beispielen aus meiner eigenen Praxis möchte ich aufzeigen, dass auch andere Therapieformen teils stark vom neuen Tierarztvorbehalt betroffen sind. Damit werden auch THP, die in ihrer Arbeit andere therapeutische Schwerpunkte setzen, in ihrer Arbeit eingeschränkt.

Dies alles geschieht mit Blick auf die Zielsetzung des neuen TAMG, nämlich die „Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus bei der Anwendung von Tier- und Humanarzneimitteln bei Tieren, weil diese Auswirkungen auf die Lebensmittelkette, die Beschaffenheit von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, die Umwelt, die Tiergesundheit und über die Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen auch auf die öffentliche Gesundheit haben“ (BTDrucks 19/28658, S.109, 128) können.

Es stellt sich allerdings die Frage , ob der Tierarztvorbehalt und die daraus resultierenden, oben exemplarisch beschriebenen Einschränkungen der Arbeit der THP wirklich das geeignete Mittel ist, diese zweifellos völlig legitime und von mir als THP auch vollumfänglich unterstützte Zielsetzung zu erreichen. In der oben angesprochenen Verfassungsbeschwerde einiger THP gegen den §50 Abs.2 TAMG wird dagegen von den Beschwerdeführerinnen vorgebracht, dass ein milderes Mittel zur Erreichung des o.g. Gesetzeszweckes die Einführung eines Sachkundenachweises für THP sein könnte. Hierin ist meines Erachtens eine große Chance zu sehen: Rechtlich sind THP nach wie vor nichts anderes als Laien, es fehlt eine standardisierte Ausbildung sowie eine Prüfung durch staatliche Stellen (wie es z.B. bei den Human-Heilpraktikern der Fall ist). Auch das Bemühen der zahlreichen THP-Verbände, durch jeweils eigene Ausbildungsordnungen und Prüfungsverfahren Qualitätsstandards zu schaffen und aufrechtzuerhalten, kann das Misstrauen in Teilen der Tierhalterschaft, was die Fertigkeiten und die Sachkunde der THP angeht, nicht zerstreuen. Auch die Tierärzteschaft schaut immer wieder mit großer Missbilligung auf die Tätigkeit der THP.

Eine einheitliche, staatlich überwachte Ausbildung und Prüfung könnte also helfen, die Tierheilpraktikerschaft aus dem Schattenreich der Scharlatanerie, in dem sie durch die genannten Gruppen sehr oft noch verortet wird, herauszuführen. Auf dieser Grundlage wäre es sicher auch besser möglich, langfristig eine kooperative und arbeitsteilige Zusammenarbeit mit der Tierärzteschaft anzustreben.

Es wäre also sehr zu begrüßen, wenn die aktuelle Diskussion um den §50 Abs.2 TAMG den Anstoß dazu geben könnte, die staatliche Vereinheitlichung und Normierung der THP-Ausbildung und -prüfung voran zu bringen – dies wäre ein großer Schritt zur Förderung des Tierwohls und gleichermaßen für den Beruf des Tierheilpraktikers!

Nicole Schulte-Kulkmann,
Tierheilpraktikerin

Aus der Verbandszeitschrift des Internationalen Tierheilpraktikerverbandes e.V. „tierisch geheilt“ | Ausgabe 2/2022