Ein neues Instrument zur Erkennung von akuten Schmerzen bei Katzen

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„Wenn sie doch nur sprechen könnte…“ – So oder so ähnlich hat sicherlich schon jeder Katzenbesitzer einmal gedacht, wenn er seine Katze beobachtet und sie nicht ganz wohl gefunden hat. Hat sie vielleicht Schmerzen?!

Schmerzerkennung bei Katzen ist notorisch schwierig, die Samtpfoten sind Meister darin, ihre Pein zu verbergen. Daher erhalten Katzen auch deutlich seltener als Hunde eine rechtzeitige und effektive Schmerzbehandlung. Um hier Verbesserungen zu erzielen, hat ein Forscherteam um Prof. Paulo V. Steagall, Dr. Marina C. Evangelista und Dr. Beatriz P. Monteiro an der Universität Montreal, Kanada, ein Hilfsmittel entwickelt, mit dem sich akute Schmerzen bei Katzen schnell, einfach und verlässlich erkennen lassen: die „Feline Grimace Pain Scale“ („Mimik-Schmerzskala“).
Bevor aber die Feline Grimace Pain Scale und ihre Anwendung bei Katzen im Detail und mit vielen Beispielen vorgestellt wird, soll es zunächst darum gehen zu klären, was „Schmerz“ überhaupt ist, welche Arten von Schmerz es gibt und warum eine schnelle und effektive Schmerzbekämpfung von überragender Bedeutung für das körperliche und seelische Wohlbefinden und damit für die Lebensqualität insgesamt ist.

Was ist Schmerz?

Die Definition der Weltschmerzgesellschaft beschreibt Schmerz als „ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer drohenden oder tatsächlichen Gewebeschädigung verknüpft ist.“ Diese Definition zeigt, dass der Schmerz zwei Aspekte hat: zum einen das körperliche Empfinden als Sinneserlebnis, und zum anderen die psychische Ebene als Gefühlserlebnis (Wie fühlt sich ein Lebewesen mit dem Schmerz? Wie wirkt sich der Schmerz auf seine seelische Verfassung, auf seine Lebensqualität aus?). Der letztgenannte Aspekt deutet bereits an, welche große Bedeutung einer effektiven Schmerzbekämpfung zukommt. Hierauf wird im Anschluss an die Erläuterung der verschiedenen Arten von Schmerz eingegangen werden.

Arten von Schmerz

Es lassen sich verschiedene Arten von Schmerz unterscheiden. Zum einen nach dem Ort der Schmerzentstehung: Nozizeptive Schmerzen entstehen in geschädigtem Gewebe; sind geschädigte Nerven die Ursache für den Schmerz, dann handelt es sich um neuropathische Schmerzen. Zum anderen nach der Dauer des Schmerzes: Akute Schmerzen setzen unmittelbar in Reaktion auf ein schädigendes Ereignis ein (z.B. Berührung einer heißen Herdplatte) und sind nur von kurzer Dauer. Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn der Schmerz länger als sechs Monate anhält oder immer wiederkehrt.

Nozizeptive vs. neuropathische Schmerzen

Nozizeptive Schmerzen sind Schmerzen, die entstehen, wenn ein mechanischer (Dorn unter der Pfote), thermischer (Kontakt mit heißer Herdplatte) oder chemischer (Stoffe, die bei Entzündungen vom Körper selber ausgeschüttet werden) Reiz von spezialisierten Sinneszellen, sogenannten Nozizeptoren, aufgenommen wird. Bei den Nozizeptoren handelt es sich um freie Enden von Nerven, über die das Gewebe des Körpers mit dem Rückenmark verbunden ist. An der Oberfläche dieser freien Nervenenden sitzen wie „Antennen“ die eigentlichen Rezeptoren. Nehmen diese einen der o.g. Reize wahr, leiten sie ihn über Nervenfasern an das Rückenmark weiter. Aufsteigende Nervenbahnen im Rückenmark wiederum leiten den Reiz an das Gehirn, wo der Reiz erst als „Schmerz“ wahrgenommen wird.

Neuropathische Schmerzen oder auch „Nervenschmerzen“ entstehen, wenn es zu einer Schädigung peripherer Nervenstrukturen kommt. Periphere Nerven sind Nerven, die außerhalb des Rückenmarks und des Gehirns gelegen sind und den gesamten Körper durchziehen; sie „docken“ an allen Endorganen an. Ursache solcher Schädigungen können z.B. Unfälle sein, wenn bei Brüchen der Läufe auch die entsprechenden versorgenden peripheren Nerven verletzt werden, ebenso wie große Operationen, bei denen Nerven in Mitleidenschaft gezogen werden. Weiterhin gibt es Tumore, die durch ihr Wachstum Nerven „einklemmen“ bzw. zerstören oder Tumore der Nerven selber. Aber auch Stoffwechselerkrankungen wie der Diabetes mellitus führen langfristig zu Schädigungen der peripheren Nerven und damit zu neuropathischen Schmerzen.

Auch Schädigungen des zentralen Nervensystems (also des Gehirns und Rückenmarks) können zu neuropathischen Schmerzen führen. Hier sind z.B. das Schädel-Hirn-Trauma nach Unfällen, Bandscheibenvorfälle, das caudaequina Syndrom, sowie verschiedene Tumore des Gehirns (z.B. Meningeome, Gliome, Plexuschoroideus-Papillome und -Karzinome) und des Rückenmarks zu nennen.

Verletzte Nerven können sich zum Teil „reparieren“, wobei es häufig aber zu einer „übersteigerten“ Reparatur kommt, d.h. es werden vor allem übermäßig viele neue Schmerzrezeptoren gebildet. Hier aus resultiert wiederum die Möglichkeit einer Verstärkung von Schmerzreizen und damit eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit. Insofern gehen neuropathische Schmerzen sehr häufig in eine chronische Form über (s.u.).

Akute (adaptive) vs. chronische (maladaptive) Schmerzen

Akute nozizeptive Schmerzen haben eine wichtige Warn- und Schutzfunktion: Das Lebewesen kann, wenn es den Schmerz spürt, unmittelbar auf die schädigende Einwirkung reagieren und so Schlimmeres verhindern (z.B. die Pfote anheben, um nicht stärker auf den Dorn zu treten; oder die Nase von der heißen Herdplatte zurückziehen, um sich nicht stärker zu verbrennen). Daher werden akute Schmerzen auch als „adaptive Schmerzen“ bezeichnet. Es handelt sich hier also um physiologische Schmerzen, um eine normale Körperreaktion auf die entsprechende Reizung der Schmerzrezeptoren. Akute nozizeptive Schmerzen/adaptive Schmerzen lassen wieder nach, sobald die Schmerzursache beseitigt ist (die Pfote vom Dorn genommen wurde, die Verbrennungen an der Nase abgeheilt sind).

Chronische nozizeptive Schmerzen sind Schmerzen nach Gewebeverletzungen, z.B. Entzündungsschmerzen, Zahn schmerzen, Eingeweideschmerzen, Rückenschmerzen, Arthrose- und Tumor schmerzen, die über einen längeren Zeitraum anhalten oder häufig wieder kehren. Wenn ein Schmerzreiz dauerhaft bzw. immer wieder auf die Nozizeptoren einwirkt, werden die weiterleitenden Nervenzellen in Rückenmark und Gehirn mit der Zeit immer sensibler für nachfolgende Schmerzreize (zentrale Sensibilisierung). Weiterhin führt Dauerschmerz auch zu strukturellen Veränderungen im Bereich der Nervenbahnen, z.B. dergestalt, dass die Anzahl der Rezeptoren an den freien Nervenenden zunimmt.

Abb. 1: Akute/adaptive Schmerzen

Abb. 2: Chronische/maladaptive Schmerzen

Abbildungen: Schematische Darstellung: Nicole Schulte-Kulkmann; „Katze“: Érik González Guerrero auf Pixabay

Foto: © Gero Camp – unsplash.com

Dadurch intensiviert sich die Schmerzwahrnehmung, weil von nun an viel mehr „Antennen“ Schmerzreize weiterleiten (periphere Sensibilisierung). Beides, die immer stärker werdende Sensibilisierung von Nervenfasern in Rückenmark und Gehirn sowie die Zunahme der Schmerzrezeptoren führt dazu, dass immer geringere Reize als immer stärkerer Schmerz wahrgenommen werden. Schon eine leichte Berührung wie ein Streicheln kann dann einen heftigen Schmerz auslösen. Im Extremfall werden auf diese Weise immer noch Schmerzen wahrgenommen, wenn die Ursache des Schmerzes bereits beseitigt wurde (eine langandauernde Entzündung ist endlich abgeheilt, ein defekter Zahn wurde entfernt). Es hat sich ein sogenanntes Schmerzgedächtnis gebildet, und das Nervensystem erzeugt die Schmerzen von nun an von selbst. Derartige chronische nozizeptive Schmerzen haben somit ihre biologisch sinnvolle Warn- und Schutzfunktion verloren, es handelt sich damit um maladaptive Schmerzen – der Schmerz selbst ist zu einer eigenständigen Erkrankung geworden.

Schmerz als Gefühlserlebnis

Wie oben dargelegt, ist der Schmerz nicht nur ein Sinneserlebnis, sondern auch ein Gefühlserlebnis. Es geht also um die Frage, wie sich ein Lebewesen mit dem Schmerz fühlt, wie der Schmerz sei ne Lebensqualität beeinflusst.

Die Schmerzforschung im Humanbereich hat in den letzten Jahren klar her ausgearbeitet, das Schmerzen die Psyche stark belasten. So ruft der Schmerz Ge fühle von Angst und Hilflosigkeit hervor, und viele Schmerzpatienten entwickeln schließlich eine Depression.

Inwieweit sich diese negativen Aus wirkungen von Schmerzen auf Psyche und Lebensqualität auch bei Tieren manifestieren, ist nicht erforscht. Jedoch werden von Haltern immer wieder Ver haltensänderungen bei Tieren mit Schmerzen beobachtet, die die Existenz eines solchen Zusammenhanges sehr na helegen: So verstecken sich Katzen nach einer OP häufig in dunklen Ecken, krie chen unter Decken oder kauern sich in ihr Katzenklo. Dies resultiert aus der star ken Verängstigung, die die unerwartet und unerklärlicherweise aufgetretenen Schmerzen bei der Katze hervorrufen. Die Katze, die aufgrund von Zahn schmerzen ihr Futter nicht mehr „genie ßen“ kann bzw. vor Schmerz nicht mehr ausreichend frisst und damit ständig Hunger leidet, erfährt ganz klar eine drastische Minderung ihrer Lebensquali tät. Das gleiche gilt für eine Katze, die aufgrund einer Blasenentzündung bei je dem Absetzen von Urin starke Schmer zen hat. Tiere, die unter Schmerzen lei den, neigen zudem häufig zu Aggressi vität, entweder als Abwehrreaktion, wenn eine schmerzende Stelle berührt wird oder infolge einer durch die Schmerzen dauerhaft erhöhten psychischen „Grund spannung“. Dies kann das Verhältnis zum Halter negativ beeinflussen sowie, z.B. in Mehrkatzenhaushalten, die Bezie hungen der Tiere untereinander stören. Das führt zu vermehrtem Stress und wirkt sich wiederum negativ auf das Be finden des betroffenen Tieres aus. All dies legt nahe, dass auch Tiere durch Schmer zen die gleichen psychischen Belastungen und Einschränkungen der Lebensqualität erleiden wie Menschen.

Zusammenfassend lässt sich also sa gen, dass der Schmerzbehandlung bei Tie ren eine überragende Bedeutung zu kommt. Dabei müssen vor allem die akuten (nozizeptiven und neuropathi schen) Schmerzen so schnell wie möglich erkannt und effektiv bekämpft werden. Geschieht dies nicht, droht die oben be schriebene Ausbildung eines „Schmerzge dächnisses“ und damit die Chronifizie rung des Schmerzes bzw. die Entstehung einer Schmerzkrankheit. Ein einmal ent standenes „Schmerzgedächtnis“ ist nur noch sehr schwer wieder zu löschen, häu fig bleiben die an einer solchen Schmerz krankheit leidenden Tiere ihr Leben lang auf Schmerzmittel angewiesen. Und dies bedeutet letztlich, das Leid des Tieres über die Akutphase hinaus zu verlängern mit llen daraus resultierenden negativen Fol gen für die Psyche und die Lebensqualität.

Akute Schmerzen erkennen

Doch wie erkennt man, dass die Katze akut Schmerzen hat? Wie eingangs bereits erwähnt, sind Katzen Meister darin, ihre Schmerzen zu verbergen. Als ein gänzlich auf sich allein gestellter Jäger kann sie es sich nicht leisten, sich Schmer zen und damit Schwäche anmerken zu lassen – zu schnell würde sie ansonsten selbst zur Beute oder von Rivalen aus ih rem Territorium vertrieben. So hilft die Beobachtung allgemeiner Verhaltenswei sen allein meistens bei der Schmerzerken nung nicht weiter.

So ist zum Beispiel die – irrige – Annahme, dass eine Katze, die frisst, keine Schmerzen hat, unter Katzenhaltern sehr weit verbreitet. Die Katze als Jäger ist je doch darauf „gepolt“, ihre Beute mit ei nem Biss zu fassen und zu töten. Würde sie, aus Rücksicht auf schmerzende Zäh ne, nur zaghaft zubeißen, besteht die Ge fahr, dass die Beute entwischt. Dieses entwicklungsgeschichtliche Erbe lässt auch unsere heutigen Hauskatzen trotz Zahnschmerzen noch „kräftig zubeißen“ und fressen. Das Fressen wird in der Regel erst dann eingestellt, wenn die Schmerzen unerträglich geworden sind – z.B. bei FORL (Feline odontoklatische resorptive Läsionen), eine bei Katzen sehr weit verbreitete Zahnerkrankung, die bereits in jungen Jahren auftritt. In diesem Fall ist die Katze aber oft auch schon abgemagert, weil sie aufgrund von Schmerzen im Vorfeld immer weniger ge fressen hat.

Angesichts dieser Schwierigkeiten, mithilfe der Beobachtung des allgemei nen Verhaltens akute Schmerzen bei der der Katze sicher zu erkennen, hat ein Forscherteam um Prof. Paulo V. Steagall, Dr. Marina C. Evangelista und Dr. Beatriz Monteiro an der Universität von Montreal, Kanada, die „Feline Grimace Pain Scale“ als besonderes Instrument entwickelt, um am Gesichtsausdruck der Katze, an ihrer Mimik, abzulesen, ob und in welchem Ausmaß sie gerade akut Schmerzen hat.

Die FGS ist ausdrücklich für die Er kennung akuter, das heißt plötzlich und neu aufgetretener Schmerzen bei der Kat ze entwickelt worden. Solche akuten Schmerzen können sich z.B. nach einer Operation (Kastration, Zahn-OP etc.), bei einer Blasenentzündung (Zystitis) oder einer verstopften Harnröhre, bei ei DIAGNOSE ner Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis), bei Magen- und Darmer krankungen (IBD – Inflammatory Bowel Disease, Verstopfung usw.), durch einen defekten Zahn etc. ergeben oder wenn die Katze einen Fremdkörper gefressen hat, der im Magen-Darm-Trakt fest steckt. Für die Erkennung lang andau ernder, d.h. chronischer Schmerzen (z.B. Schmerzen bedingt durch entzündliche Gelenkerkrankungen wie die Arthrose bei älteren Katzen) ist die FGS nicht ge eignet. Für die Erkennung chronischer Schmerzen gibt es andere Skalen; diese sind aber – im Gegensatz zur FGS (s.u.) – bisher noch nicht für die Nutzung durch Tierhalter validiert. Allerdings gibt es auch bei Tieren, die unter chronischen Schmerzen leiden, Phasen, in denen sich diese Schmerzen akut verschlimmern. Z.B. wenn eine arthrosekranke Katze in einem Mehrkatzenhaushalt von einer anderen Katze gejagt wurde, sich also schnell bewegen, viel springen und ren nen etc. musste. Durch diese übermäßige Belastung kann sich die Entzündung in den Gelenken plötzlich verstärken, sodass die Katze dann akut unter schlimmeren Schmerzen leidet. Es ist denkbar, dass sich diese Verschlimmerung der Schmer zen dann auch an der Mimik der Katze ablesen lässt, sodass die FGS zur Anwen dung kommen könnte. Allerdings wurde die FGS für eine solche Bewertung aku ter Schübe in ansonsten chronischen Schmerzverläufen nicht validiert, sodass Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert wer den müssen.

Foto: © Paul Hanaoka – unsplash.com

Die „Feline Grimace Pain Scale“

Der Gedanke, Schmerzen bei Individuen, die sich nicht verbal äußern können, mithilfe von deren Mimik zu erkennen, ist grundsätzlich nicht neu und wird z.B. in der Pädiatrie schon regelmäßig ange wendet. Hier liegt der Gedanke zugrun de, dass man die Emotionen der Betroffe nen, also auch akute Schmerzen, an ihrem Gesichtsausdruck ablesen kann. Dazu schaut man sich verschiedene Mus kelgruppen im Gesicht an, durch deren Veränderung der jeweilige Gesichtsaus druck (das „Schmerzgesicht“) entsteht. Jede dieser Muskelgruppen wird als eine sogenannte „Aktionseinheit“ definiert. In der Vergangenheit wurden bereits für einige Tierarten (Mäuse, Ratten, Kanin chen, Pferde, Schafe, Lämmer, Ferkel, Frettchen) derartige Mimikskalen entwi ckelt. Für Katzen jedoch fehlte eine sol che Skala bisher.

Im Zuge der Entwicklung der FGS hat das kanadische Forscherteam auch bei Katzen derartige Aktionseinheiten definiert, deren Aktivierung bzw. Verän derung charakteristisch sind für das Vor handensein von akuten Schmerzen – auch Katzen haben also ein typisches „Schmerzgesicht“! Mithilfe aufwändiger Verfahren wurde nachgewiesen, dass die jeweiligen Veränderungen der Aktions einheiten tatsächlich immer dann – und nur dann – auftreten, wenn eine Katze akut Schmerzen empfindet; die FGS misst also nicht beliebige Emotionen/Ge mütszustände der Katze, sondern tatsäch lich genau die eine Empfindung „Schmerz“. Des Weiteren wurde nachge wiesen, dass verschiedene Personen, die bei einer Katze Veränderungen der ein zelnen Aktionseinheiten begutachten, diese Veränderungen hinsichtlich ihres Vorhandenseins bzw. hinsichtlich der Stärke ihrer Ausprägung (weitestgehend) einheitlich einschätzen. D.h., auch wenn unterschiedliche Personen die FGS an ei ner Katze anwenden, kommen sie „unter dem Strich“ (weitestgehend) zu dem glei chen Ergebnis, was das Vorhandensein bzw. die Stärke der Schmerzen bei dieser Katze angeht. Damit konnte gezeigt wer den, dass die FGS auch dann verlässlich ist, wenn unterschiedliche Personen sie verwenden, die Ergebnisse also nicht von der die FGS anwendenden Person ab hängig sind.

Und schließlich konnte nachgewiesen werden, dass nicht nur Tierärzte und tier medizinisches Fachpersonal (TFA), son dern auch Katzenhalter ohne medizinische Vorkenntnisse die FGS sicher anwenden können. D.h., auch Laien können, wenn sie auf die FGS zurückgreifen, zu verlässli chen Ergebnissen hinsichtlich des Vorlie gens und der Schwere von akuten Schmer zen bei ihrer Katze kommen. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Praxis, denn damit handelt es sich bei der FGS um das erste wissenschaftlich validierte In strument zur Schmerzerkennung bei Kat zen, das auch zu Hause vom Halter ange wendet werden kann.

Fünf „Aktionseinheiten“

Wie oben dargelegt, definieren Mimik skalen verschiedene Gruppen von Gesichtsmuskeln, die typischerweise dann aktiviert werden, wenn ein Individuum akut Schmerzen empfindet, als sogenannte „Aktionseinheiten“ (AE). Auch die FGS arbeitet mit derartigen AE. Es wurden fünf AE als maßgeblich für das „Schmerzgesicht“ der Katze identifiziert: 1. Position der Ohren; 2. Öffnung der Augen; 3. Anspannung der Oberlippen; 4. Position der Schnurrhaare; 5. Positi on des Kopfes in Bezug auf die Schultern. Jeder AE wird ein Wert zugeordnet, je nachdem, wie stark die AE aktiviert ist: 0 = die AE ist nicht aktiviert; 1 = die AE ist moderat aktiviert; 2 = die AE ist stark aktiviert. Je stärker die Aktivierung der einzelnen AE, desto ausgeprägter das „Schmerzgesicht“ und desto stärker die Schmerzen der entsprechenden Katze. Die folgende Übersicht soll dies veranschaulichen:

1. Position der Ohren

Die Position der Ohren bezieht sich darauf, wie weit die Spitzen der Ohren auseinanderstehen und wie weit die Ohrmuscheln nach außen bzw. hinten gedreht sind.

1. Position der Ohren

Die Position der Ohren bezieht sich darauf, wie weit die Spitzen der Ohren auseinanderstehen und wie weit die Ohrmuscheln nach außen bzw. hinten gedreht sind.

Die Ohren sind aufgerichtet, die Ohrspitzen sind nahe beieinander, die Ohrmuscheln sind nicht nach außen/hinten gedreht – die AE „Ohren“ wurde nicht aktiviert. Wert = 0

Wert = 0

Die Ohrspitzen liegen etwas weiter auseinan der, die Ohrmuscheln sind leicht nach außen/ hinten gedreht – die AE „Ohren“ wurde mode rat aktiviert. Wert = 1

Wert = 1

Die Ohrspitzen stehen weit auseinander, die Ohrmuscheln sind stark nach außen/hinten ge dreht – die AE „Ohren“ wurde stark aktiviert. Wert = 2

Wert = 2

2. Öffnung der Augen

Die AE „Öffnung der Augen“ bezieht sich darauf, wie weit die Augen der Katze geöffnet sind und ob sie eine runde oder eher schmale Form haben.

Die Augen sind weit und rund geöffnet – die AE „Öffnung der Augen“ wurde nicht aktiviert.

Wert = 0

Die Augen sind leicht geschlossen, das Auge erscheint oval – die AE „Öffnung der Augen“ wurde moderat aktiviert.

Wert = 1

Die Augen sind fast geschlossen, das Auge er scheint nur noch als eine schmale Öffnung – die AE „Öffnung der Augen“ wurde stark aktiviert.

Wert = 2

3. Anspannung der Oberlippen

DIAGNOSE Hier geht es um die Form des Bereiches, aus dem die Schnurrhaare wachsen.

Die Oberlippe ist entspannt, sie zeigt eine flache und runde Form – die AE „Oberlippe“ wurde nicht aktiviert.

Wert = 0

Die Oberlippe ist leicht angespannt, der Be reich ist etwas abgeflacht und länglich aus einandergezogen – die AE „Oberlippe“ wurde moderat aktiviert.

Wert = 1

Die Oberlippe ist sehr angespannt und läng lich in Form einer Ellipse auseinandergezo gen, dabei kann sich die Oberlippe auch leicht vorwölben – die AE „Oberlippe“ wurde stark aktiviert.

Wert = 2

4. Position der Schnurrhaare

Diese AE bezieht sich darauf, inwieweit die Katze die Schnurrhaare vom Gesicht wegbewegt und aufstellt.

Die Schnurrhaare sind leicht aufgefächert und hängen entspannt in einem weichen, weiten Bogen herunter – die AE „Position der Schnurrhaare“ wurde nicht aktiviert.

Wert = 0

Die Schnurrhaare stehen enger beieinander und sind leicht angehoben, sie beschreiben nur noch einen ganz leichten Bogen oder stehen waagerecht ab – die AE „Position der Schnurrhaare“ wurde moderat aktiviert.

Wert = 1

Die Schnurrhaare stechen angespannt, wie „Stacheln“, aus der Oberlippe heraus, und sind ganz gerade sowie vom Gesicht weg aus gerichtet – die AE „Position der Schnurrhaare“ wurde stark aktiviert.

Wert = 2

5. Position des Kopfes in Bezug auf die Schultern

Hier geht es darum, wie aufrecht die Katze ihren Kopf hält.

Die Katze hält ihren Kopf aufrecht oberhalb der Schulterlinie – die AE „Position des Kopfes“ wurde nicht aktiviert.

Wert = 0

Die Katze hält ihren Kopf so, dass er sich in einer Linie mit den Schultern befindet – die AE „Position des Kopfes“ wurde moderat aktiviert.

Wert = 1

Die Katze trägt ihren Kopf unterhalb der Schulterlinie, ggfs. ist der Kopf auch auf das Kinn oder die Brust hinabgesunken – die AE „Position des Kopfes“ wurde stark aktiviert.

Wert = 2

Beachtung des Kontextes

Es ist wichtig zu beachten, dass eine Katze, die Schmerzen hat, die oben geschilderten Veränderungen in ihrer Mimik nicht nur für einen kurzen Moment zeigen wird; abhän gig von der Ursache des Schmerzes wird sich der entsprechende Gesichtsausdruck für mehrere Minuten oder sogar Stunden zei gen. Wenn eine Katze z.B. dösend auf dem Sofa liegt und plötzlich ein Geräusch hinter sich wahrnimmt, kann sie durchaus für ei nen Augenblick einen Gesichtsausdruck zei gen, der einem „Schmerzgesicht“ ähnelt: Der Kopf ist leicht gesenkt, die Augen halb geschlossen, die Ohrspitzen stehen etwas auseinander und die Ohrmuscheln sind leicht nach außen/hinten gedreht (in Rich tung auf das Geräusch). Sobald das Ge räusch nicht mehr wahrgenommen wird, kehren die Ohren aber wieder in eine nor male, aufrechte Position zurück. Auch eine Katze, die tief schläft, hat geschlossene Au gen, der Kopf sinkt auf die Brust und ggfs. fallen auch die Ohren etwas auseinander. In diesem Fall handelt es sich bei den be obachteten Mimikelementen (geschlossene Augen, gesenkter Kopf, auseinander stehende Ohren) aber nicht um „aktivierte AE“ und damit um Anzeichen für Schmerzen gemäß der FGS, sondern le diglich um Zeichen tiefer Entspannung.

Es ist also wichtig, den Kontext zu beachten: So kann eine Katze, die schläft, frisst oder sich putzt, nicht mit hilfe der FGS beurteilt werden. Eine Be urteilung ist erst dann möglich, wenn die Katze diese Aktivitäten beendet hat und eine „neutrale“ Position einnimmt. Wenn dann eine Aktivierung der verschiedenen oben erläuterten AE für einen längeren Zeitraum beobachtet werden kann, ist davon auszugehen, dass es sich um Anzei chen für akute Schmerzen handelt.

Ermittlung des Grades der Schmerzhaftigkeit

Anhand der Zusammenschau der bei einer Katze beobachteten aktivierten AE und der Addition der entsprechend zugeordneten Werte lässt sich der Grad der Schmerzhaftigkeit der Katze in Gestalt einer Punktzahl ermitteln. Diese berechnet sich aus der Addition der für die einzelnen aktivierten AE ermittelten Werte, dividiert durch die maximal zu erreichende Punktzahl (=10, d.h. fünf AE mit jeweils Wert „2“). Insofern ergibt sich bei einer Katze, die völlig schmerzfrei ist, eine Punktzahl von „0“: Fünf AE, deren Wert jeweils „0“ ist, ergeben eine Punktzahl von 5×0=0, dividiert durch „10“ = 0. Bei einer Katze, die starke Schmerzen leidet, ergibt sich aus den aktivierten AE ein Wert von 10 (2+2+2+2+2=10); dividiert durch 10 (maximale Punktzahl) ergibt einen Wert von „1“. D.h., der Grad der Schmerzhaftigkeit einer Katze, wie er mit der FGS ermittelt wird, bewegt sich zwischen „0“ (keine Schmerzen) und „1“ (starke Schmerzen).

Weiterhin gibt es Katzen mit bestimmten Merkmalen, bei denen es nur sehr schwer oder gar nicht möglich ist, die FGS verlässlich anzuwenden: So fällt die Beurteilung der Aktivierung der AE bei rein schwarzen Katzen schwer; auch bei brachycephalen (kurznasigen) Katzen (z.B. Perserkatzen) ist es aufgrund der zuchtbedingt „entstellten“ Gesichtszüge vor allem im Bereich Oberlippe und Position der Schnurrharre nicht möglich, die Aktivierung der AE korrekt einzuschätzen. Bei diesen Katzen stößt die Schmerzerkennung mithilfe der FGS also an ihre Grenzen.

Handlungsbedarf erkennen

Die FGS hilft insbesondere bei der Einschätzung, ab wann die akuten Schmerzen einer Katze behandlungsbedürftig sind. Im Zuge der Studien zur Entwicklung der FGS wurde eine so genannte „analgetische Schwelle“ festgelegt. Diese besagt, dass die Schmerzen der Katze durch die Verabreichung eines Schmerzmittels gelindert werden müssen, wenn die durch die Bewertung der AE ermittelte Punktzahl gleich oder größer ist als 0,39. Damit liefert die FGS dem Halter auch eine klare Handlungsanleitung und Entscheidungshilfe: Wenn dieser durch die Auswertung der bei seiner Katze aktivierten AE zu einem Wert von über oder genau 0,39 gelangt, bedeutet dies, dass die Katze umgehend zur Abklärung einem Tierarzt oder Tierheilpraktiker vorzustellen ist. Zweifel, ob es denn „wirklich so schlimm“ ist, werden auf diese Weise ausgeräumt, und die Katze erhält schneller Hilfe und Linderung.

Objektive Einschätzung der Wirkung von Behandlungsmaßnahmen

Darüber hinaus erlaubt die FGS auch eine objektive Einschätzung, inwieweit ergriffene Maßnahmen zur Schmerzlinderung im Einzelfall jeweils erfolgreich waren. Indem der Grad des akuten Schmerzes mithilfe der FGS vor und nach Einleitung analgetischer Maßnahmen bestimmt wird, lässt sich eindeutig erkennen, ob diese effektiv und ausreichend waren oder nicht. Dies ist besonders wichtig bei Tieren, da sich diese ja nicht zu ihrer Situation äußern können; dies müssen die Halter für sie übernehmen. Nun ist es in der Regel jedoch so, dass bei Haltern, deren Tier behandelt wurde, eine starke Erwartungshaltung dahingehend besteht, dass die Behandlung wirksam ist. Dies gilt umso mehr, je mehr die Halter der Behandlung bzw. dem Behandler vertrauen. Sie beobachten ihre Tiere im Anschluss an die Behandlung somit durch eine Art „Erwartungs-Brille“ und neigen dazu, viele Beobachtungen an ihrem Tier vor dem Hintergrund dieser Erwartungen als Anzeichen für den Erfolg der Behandlung zu interpretieren. Dies wird auch als „Rosenthal-Effekt“ bezeichnet. Infolgedessen werden sie dem Behandler bei einem Kontrolltermin auch berichten, dass es der Katze schon „viel besser geht“. Umgekehrt werden Halter, die zu einer bestimmten Behandlung kein Vertrauen haben, ihr Tier durch die „das bringt ja eh nichts“-Brille beobachten und entsprechend interpretieren. Wurde nun vor der Behandlung mithilfe der FGS ein objektiver Wert für die Schmerzhaftigkeit ermittelt, kann dieser mit dem Wert, der nach Einleitung der Behandlung erhoben wird, verglichen werden. Dieser Vergleich der Vorher-Nachher- Werte erlaubt eine objektive Einschätzung, ob und inwieweit die Behandlung erfolgreich war. Insofern muss sich der Behandler nicht allein auf die subjektive Einschätzung der Halter verlassen. Auch hieraus ergibt sich eine Verbesserung des Tierwohls, da die Einschätzung der Wirksamkeit von Schmerzbehandlungen nicht mehr (allein) dem subjektiven Empfi nden der Halter unterliegt: Unwirksame Behandlungen können als solche erkannt werden und durch wirksame Alternativen ersetzt werden bzw. Haltern mit einer ablehnenden Haltung kann demonstriert werden, dass die gewählte Behandlung eff ektiv und von Vorteil für ihre Katze ist. Die Anwendung des FGS als ein Instrument zur objektiven Messung des Behandlungserfolges kann damit auch die Compliance der Tierhalter stärken, was wiederum für den Th erapieerfolg unerlässlich ist.

Fallbeispiele

Bei dieser Katze sind die AE wie folgt ausgeprägt: AE 1 (Ohren) moderat = 1; AE 2 (Öffnung der Augen) nicht aktiviert = 0; AE 3 (Anspannung der Oberlippe) moderat = 1; AE 4 (Position der Schnurrhaare) nicht aktiviert = 0; AE 5 (Position des Kopfes) moderat = 1. Dies ergibt einen Zahlenwert von 1+0+1+0+1=3, dividiert durch 10=0,3. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass nicht alle AE gleich eindeutig zu erkennen und zu bewerten sind. So stellte sich im Rahmen der Studien zur Validierung der FGS heraus, dass es insbesondere bei den AE 3 (Anspannung der Oberlippe) und 4 (Position der Schnurrhaare) häufig schwierig war zu entscheiden, ob die AE überhaupt aktiviert wurden und falls ja, in welcher Ausprägung

Bei dieser Katze sind die weißen Schnurrhaare, die aus der ebenfalls weißen Oberlippe wachsen, nicht gut zu erkennen; die Einschätzung, ob die AE 4 (Position der Schnurrhaare) aktiviert wurde und falls ja, in welchem Ausmaß, ist also schwierig. Soll nun die Punktzahl für den Grad der Schmerzhaftigkeit ermittelt werden, so lässt man die Bewertung der unklaren AE aus. Der Zahlenwert, der sich aus der Addition der Werte für die verbliebenen AE ergibt, wird dann durch die Höchstpunktzahl der bewerteten AE (in diesem Fall also 8 statt 10) geteilt: AE 1 (Ohren) moderat = 1; AE 2 (Öffnung der Augen) nicht aktiviert = 0; AE 3 (Anspannung der Oberlippe) moderat = 1; [AE 4 (Position der Schnurrhaare) entfällt]; AE 5 (Position des Kopfes) moderat = 1. Dies ergibt einen Zahlenwert von 1+0+1+1=3 geteilt durch 8 (Höchstpunktzahl der bewerteten AE)= 0,38.

Fazit

Foto: © Isabela Ferreira – unsplash.com

Schmerzen bei der Katze werden aktuell immer noch zu selten und zu spät erkannt und dementsprechend auch in den meisten Fällen nicht rechtzeitig und nicht eff ektiv genug behandelt. Dies ist ein ernster Befund, denn Schmerzen beeinträchtigen nicht nur in der Akut-Phase ganz unmittelbar das körperliche und seelische Wohlergehen des Tieres. Wie oben gezeigt wurde, können akute Schmerzen, die gar nicht bzw. nicht rechtzeitig und nicht ausreichend bekämpft werden, schnell chronifi zieren. Die Chronifi zierung von Schmerzen geht mit funktionalen und plastischen Veränderungen auf neuronaler Ebene einher (erhöhte Sensibilisierung der Nervenfasern, erhöhte Anzahl an Rezeptoren an freien Nervenenden), die nicht mehr umkehrbar sind: Es hat sich ein „Schmerzgedächtnis“ gebildet. Es ist also von großer Bedeutung, zu verstehen, dass eine zu späte und nicht-eff ektive Behandlung akuter Schmerzen Folgen über das unmittelbare Schmerzgeschehen hinaus hat: Es droht die „Verselbstständigung“ des Schmerzes, der Schmerz wird zur eigenständigen Krankheit, die an die Stelle des ursprünglichen schmerzhaften Krankheitsgeschehens tritt und bestehen bleibt, selbst wenn die Krankheit ausgeheilt, die Operation überstanden ist. Auf diese Weise verlängert sich das (Schmerz-)Leiden des Tieres; schlimmstenfalls wird das Tier für den Rest seines Lebens an chronischen Schmerzen leiden.

Es ist die Aufgabe des Th erapeuten, den Tierhaltern diesen Zusammenhang unbedingt klar zu machen, z.B. wenn sie sich vor einer anstehenden Operation ihres Tieres beraten lassen. Viele Tierhalter (und leider auch immer noch einige Tierärzte und Tierheilpraktiker) vertreten die – irrige – Annahme, dass ein wenig Schmerzen nach einer OP gut sind, damit sie dem Tier Grenzen aufzeigen und es sich nicht zu früh zu stark belastet. Zum Teil lehnen Tierhalter Schmerzmittel auch als unnötige und schädliche „Chemie“ ab. Diese Gruppe muss unbedingt für die langfristigen Folgen einer ineff ektiven Schmerzbehandlung (Stichwort: Schmerzkrankheit) und die damit einhergehenden dauerhaften negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität seines Tieres sensibilisiert werden.

Für eine rechtzeitige und eff ektive Schmerzbekämpfung ist es also unumgänglich, den Tierhalter „mit in’s Boot“ zu holen. Denn schließlich sind es die Tierhalter, die „an vorderster Front“ stehen, wenn es darum geht, Schmerzen bei ihrem Tier zu erkennen – sie haben ihre Katze jeden Tag vor Augen und sind die ersten, denen Veränderungen auff allen. Hier kann die FGS gute Dienste leisten. Die FGS ist das erste wissenschaftlich validierte Instrument zur Schmerzerkennung bei Katzen, das auch zu Hause vom Halter angewendet werden kann. Dies kann dazu führen, dass mehr Katzen mit Schmerzsymptomen bereits in einem frühen Stadium einem Tierarzt oder Tierheilpraktiker vorgestellt werden. Damit werden Schmerzen deutlich früher diagnostiziert und therapiert als bisher.

Was die Th erapeuten angeht, erlaubt es die FGS diesen, die Eff ektivität von eingeleiteten schmerzlindernden Maßnahmen objektiv zu überprüfen. Beide Aspekte – die frühzeitige Erkennung von akuten Schmerzen durch den Halter und die objektive Überprüfung analgetischer Interventionen – sind von überragender Bedeutung, wenn es darum geht, Katzen eine rechtzeitige und wirkungsvolle Schmerzbekämpfung zukommen zu lassen. Insofern ist die FGS ein starkes Instrument, welches helfen kann, die gesundheitliche Situation, das Wohlbefi nden und die Lebensqualität von Katzen zu verbessern.

Nicole Schulte-Kulkmann
gepr. Tierheilpraktikerin (VDT)

 

Quellen

  • Evangelista et al. (2019). Facial expressions of pain in cats: the development and validation of a Feline Grimace Scale.
    In: Scientifi c Reports, Vol. 9, 19128 (2019), DOI: 10.1038/s41598-019-55693-8
    Abrufbar unter: https://doi.org/10.1038/s41598- 019-55693-8
  • Evangelista, M.C./Benito, J./Monteiro, B.P./ Watanabe, R./Doodnaugt, G.M./Pang, D.S.J., Steagall, P.V. (2020). Clinical applicability of the Feline Grimace Scale: real-time versus image scoring and the infl uence of sedation and surgery. In: PeerJ, Vol.8:e8967, DOI: 10.7717/peerj.8967
  • Evangelista, Marina C./Steagall, Paulo V. (2021). Agreement and reliability of the Feline Grimace Scale among cat owners, veterinarians, veterinary students and nurses. In: Scientifi c Reports, Vol.11, 5262 (2021), DOI: 10.1038/s41598-021-84696-7
  • Feline Grimace Scale: https://www.felinegrimacescale.com/
  • Watanabe, R./Doodnaught, G.M./Evangelista, M.C./Monteiro, B.P./Ruel, H.L.M./Steagall, P.V. (2020). Inter-Rater Reliability of the Feline Grimace Scale in Cats undergoing Dental Extractions. In: Frontiers of Veterinary Science, Vol.7 (2020); 302, DOI: 10.3389/fves.2020.00302Weitere Literatur bei der Verfasserin.

Aus der Verbandszeitschrift des Internationalen Tierheilpraktikerverbandes e.V. „tierisch geheilt“ | Ausgabe 3/2021